"EU, Rechtsstreit, Flüchtlinge – Was ist los in Polen?" Fragen an den Polenexperten Knut Abraham, MdB

Am 2. November 2021 waren 20 Interessierte der Einladung der EUBB gefolgt und diskutierten online die aktuelle politische Entwicklung Polens. Mit dabei war Polenkenner Knut Abraham, der viele Jahre als Gesandter in Polen Gelegenheit hatte, die polnische Gesellschaft und Politik kennen zu lernen.

Die EU ist die Lebenslinie Polens

Bericht zur Online-Diskussion „Polen und die EU“ am 2.11.2021 von Mechthild Baumann

„Die EU ist die Lebenslinie Polens.“, sagte der ehemalige Gesandte der Bundesrepublik in Polen und frisch gewählte Bundestagsabgeordnete Knut Abraham auf die Frage, ob Polen noch zur EU stehe. 20 Interessierte waren der Einladung der EUBB gefolgt und diskutierten am 2. November 2021 online die aktuelle politische Entwicklung Polens.
Diese erfüllt viele Europäer mit Sorge. Schon 2017 leitete die Europäische Kommission formale Untersuchungen gegen Polen ein, weil die „eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 EUV verankerten gemeinsamen Werte“ vorliege. Im Oktober 2021 entschied das polnische Verfassungsgericht, dass Teile des EU-Rechts mit der polnischen Verfassung unvereinbar seien. Damit stellte es sich gegen ein elementares Prinzip der europäischen Staatengemeinschaft: den Vorrang europäischen Rechts vor nationalem. Nur so ist gemeinschaftliche Politik möglich. Stellt Polen damit etwa indirekt seinen Verbleib in der EU in Frage? Hierzu stellte Abraham klar: „Es wird keinen politisch intendierten Pol-Exit aus der EU geben.“
Doch wie sollen die EU, die Bundesregierung und vor allem die europäischen Bürgerinnen und Bürger damit umgehen? „Das Konstrukt der EU ist das Problem, sie ist ein zahnloser Tiger!“, kritisierte der Anwalt und engagierte Europäer Enrico Triebel. Aus diesem Grund komme eine besondere und sensible Aufgabe der Bundesregierung zu, sagte Abraham. „Der deutsch-polnische Faden darf nicht durchhängen.“
„Und was kann die Zivilgesellschaft tun?“ fragte die Vorsitzende der Europa-Union Brandenburg Dr. Mechthild Baumann. Zivilgesellschaftlichem Engagement wie dem in der überparteilichen Europa-Union, in Städtepartnerschaften, Kulturvereinen oder anderen grenzüberschreitenden Initiativen komme eine besondere Bedeutung zu, so Abraham. Sie bildeten das Rückgrat der deutsch-polnischen Freundschaft. Dies deckt sich mit einer aktuellen Umfrage, nach der sich die überwältigende Mehrheit der Polen (88%) für einen Verbleib in der EU ausspricht